Monster
Hirokazu Kore-eda, Japan, 2023o
When her young son Minato starts to behave strangely, his mother feels that there is something wrong. Discovering that a teacher is responsible, she storms into the school demanding to know what's going on. But as the story unfolds through the eyes of mother, teacher and child, the truth gradually emerges.
Verstehen die Erwachsenen die Welt der Kinder? Nach Auffassung des Japaners Hirokazu Kore-eda bestenfalls ansatzweise. Und Kore-eda darf man mit gutem Grund glauben. Der 1961 geborene Autor und Regisseur lotet seit den mittleren 1990er Jahren die komplizierten Gefühle zwischen Kindern und Erwachsenen in Familien und Freundschaften aus. Aus dieser lebenslangen "Feldarbeit" sind schon Meisterwerke wie Nobody Knows, Like Father, Like Son und Shoplifters hervorgegangen. Monster gehört in die Reihe der grossen Kore-edas. In der ersten Häflet an Rashomon erinnernd, den Kurosawa-Klassiker der wechslenden Perspektiven, entwickelt der Film die Figur des halbwaisen Schuljungen Minato, der seinen Lehrer als Monster darstellt: Der Lehrer habe ihn geschlagen, vor der Klasser gedemütigt und als Schweinehirn bezeichnet. Erleben wir dieses Drama der Verstörung und der Anschuldigung anfänglich aus der Sicht von Minatos Mutter, und scheint die befremdliche defensive Reaktion der Schule ihrem Sohn Recht zu geben, so erleben wir es jedoch unversehens erneut, diesmal aus der Sicht des Lehrers, in welcher Schüler als monströser Mobber eines Mitschülers erscheint. Der dritte Teil klärt den Widerspruch atemberaubend auf: Jetzt sehen wir die Ereginssse aus Sicht der Kinder und begreifen, dass wir bis dahin nichts begriffen haben über deren Welt der Wünsche, Wunder und Fragen, der kleinen Heimlichkeiten und Lügen, der Freunsdschaften und der Verrats, der bitteren Enttäuschungen und der wieder gefundenen Gemeinschaft. Grossartig dabei, wie einführte Motive und Requisiten ständig in neuem Licht erscheinen, verblüffend, wie Kor-eda angefangene Handlungsstränge in unerwartete Richtungen treibt, zutiefst berührend sein Verständis für alle Figuren. Kleine Irritationen gehören zu diesem Spiel des wechselnden Mitgefühls und allmählichen Verstehens, doch keine Sorge: Der Meister wird's richten.
Andreas Furler